Deloitte fragte Arbeitnehmer in
Europa, was sie sich von der Arbeitswelt erwarten. Anna Nowshad, Human
Capital Director bei Deloitte Consulting, zu den Ergebnissen.
15.000 waren am Wort
„Voice of the workforce in Europe“ heißt die neue Studie, die das Beratungsunternehmen Deloitte unter 15.000 Beschäftigten in Europa
durchgeführt hat. Gefragt nach den Wünschen der Arbeitnehmer, ergaben
sich für die Unternehmen aus den Ergebnissen wiederum spannende
Erkenntnisse. Diesen zufolge wird sich die Arbeitswelt künftig noch stärker um zwei Themen drehen: Einerseits die vielfach diskutierte Digitalisierung
und andererseits um den demografischen Wandel. Der stellt Arbeitgeber
vor die große Herausforderung und gleichzeitig auch große Chance,
ältere Arbeitnehmer länger im Betrieb zu halten. Laut der Studie gab es
2017 weniger Menschen unter 35 im Arbeitsleben, als Menschen mit über 50
Jahren.
KURIER: Die Roboter nehmen uns die Jobs weg, der Fachkräftemangel nimmt zu, wir arbeiten immer länger – die Nachrichtenlage um die Arbeitswelt wird immer komplexer. Sie beraten Unternehmen und wissen aus erster Hand, was sie beschäftigt. Wohin geht die Reise also?
Anna Nowshad: Man kann die Einflüsse in zwei
grundsätzliche Trends zusammenfassen, die beide, wenn man sie nicht
bearbeitet, einen deutlichen Talente- und Fachkräftemangel
nach sich ziehen können. Der eine Trend ist, dass die Jungen immer
später zu arbeiten beginnen und ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer
bald in Pension gehen wird. Das verursacht natürlich eine gewisse Lücke
am Arbeitsmarkt. Und der zweite Trend ist, dass die neuen Technologien
Jobs verändern.
Manche Firmen sind nicht willig, Ältere zu beschäftigen. Zuletzt ist in Österreich auch die Arbeitslosigkeit bei den Über-50-Jährigen gestiegen. Was könnte hier die Lösung sein?
Unternehmen müssten ihren Arbeitskräfte-Pool vergrößern: Nicht nur
Uni-Absolventen und jene mit mehreren Jahren Berufserfahrung suchen,
sondern umdenken: Wo sind Menschen, die in ihrem letzten Berufsdrittel
stecken? Oft ist für viele von ihnen länger zu arbeiten eine Mischung
aus Wollen und Müssen. Wer mit 65 in Pension geht, hat vielleicht noch
30 Jahre – das muss man sich leisten können. Die Frage ist: Kann ich als
Unternehmen über flexiblere Arbeitsmodelle wie Freelancen oder
Teilzeitvarianten für Ältere nachdenken, um den Fachkräftemangel,
den es ja unbestritten gibt, auch abzufedern? Die Studie zeigt in
diesem Zusammenhang noch ein spannendes Ergebnis: Ältere Arbeitnehmer
sind deutlich zufriedener als jüngere.
Woran liegt das?
Als älterer Arbeitnehmer weiß ich besser, welchen Beitrag ich leiste.
Ich bin mir meiner Stärken bewusster als Jüngere. Das ist ein
wesentlicher Asset, auf das Unternehmen setzen können.
Wie schafft man es, ältere Arbeitnehmer so lange in der Praxis zu halten? Was brauchen sie?
Ein wesentlicher Faktor ist das Gestalten von lebenslangem Lernen und
lebenslangen Karrieren. Mit einer Qualifizierungsmaßnahme alle paar
Jahre ist das nicht getan.
Lebenslanges Lernen ist für viele ein Unwort – lässt es sich attraktiver konnotieren?
Vertrauen ist der Hauptgrund, warum jemand motiviert ist und einem
Unternehmen treu bleibt. Das wiederum ist untrennbar mit Lernen
verbunden. Wenn mir jemand vertraut, hat es viel mit meiner Kompetenz
und der Zusammenarbeit zu tun. Es stimmt, das Schlagwort ist schon oft
genutzt worden. Aber vieles, was es umfasst, ist genau mit dem
lebenslangen Lernen verbunden.
Der Studie nach wollen Arbeitnehmer Weiterbildung vor allem im IT-Bereich. Müssen hier Firmen mehr investieren?
Ich glaube ja. Wobei das in einem umfassenden Sinn geschehen muss.
Neue Technologien sollten nicht nur als Gefährdung des eigenen Jobs
gesehen werden.
Welche Rolle spielt beim Verbleib in einem Unternehmen die Vergütung?
Im Schnitt ist es das Zweitwichtigste, bei den Älteren ist Vergütung
allerdings weiter unten platziert. Das hat auch mit dem höheren
Gehaltsniveau, das Ältere sehr häufig schon haben, zu tun. Geld ist aber
ein Hygiene-Faktor: Wenn ich ein gewisses Gehaltsniveau habe und über
dem Markt bezahlt werde, trägt es nicht mehr zu meiner Zufriedenheit
bei.